Partydrogen

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Für alle Fragen und weitergehende Informationen zum Thema stehen Ihnen die Mitglieder des ak aids Berlin gerne zur Verfügung!

Partydrogen werden mehr und mehr ein Thema. Seit etwa drei Jahren beobachten wir in den Schwerpunktpraxen Berlins – und das wird nicht nur auf die Hauptstadt beschränkt sein – immer häufiger Zwischenfälle, die im direkten Zusammenhang mit dem Konsum von Partydrogen stehen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Crystal Meth, GHB/GBL (»Liquid Ecstasy« oder »K.O.-Tropfen«) und Ketamin (»Vitamin K«).

Die psycho-aktiven (»entaktogenen«) Wirkungen können verheerend sein: Das Nähegefühl zu sich und anderen steigert sich ins Unermessliche und beflügelt eine falsche Vertrauensseligkeit, eine euphorische Kritiklosigkeit verdrängt das Verantwortungsgefühl und die gesteigerte sexuelle Stimulation führt dazu, dass Praktiken ausgeübt werden, die nicht selten Verletzungen oder ganz allgemein Gesundheitsschädigungen nach sich ziehen.

Eine besondere Komplikation ergibt sich aus den möglichen Wechselwirkungen mit Medikamenten gegen HIV und Hepatitis C. Dazu kommen frische Infektionen mit Syphilis, Gonorrhoe und ebenfalls Hepatitis C. Ebenfalls häufen sich Hautausschläge, Zahnfleischverlust (vor allem bei Crystal Meth), Halluzinationen und Wahnvorstellungen bis hin zu einer ausgeprägten Abhängigkeit, die einer stationären Entwöhnungsbehandlung bedarf.

Fünf Fallbeispiele aus unseren Schwerpunktpraxen zeigen die oft verdrängte Gefahr von Partydrogen. Diese Fälle sind alle echt.

Ein 27-jähriger homosexueller Mann leidet nach der Trennung von seinem Freund an einer schweren Depression. Zur Ablenkung geht er aus und bekommt in einer Bar von einem Fremden Crystal Meth gegen seine Traurigkeit angeboten. Nach dem Konsum erlebt er ein »unvorstellbares Hochgefühl und eine starke sexuelle Stimulation«, die dazu führt, dass er in derselben Nacht mit zwei ihm unbekannten Männern ungeschützten Analverkehr ausübt. Nach zwei Wochen stellen sich Symptome ein, die im Labor als Frühsymptome einer frischen HIV-Infektion bestätigt werden.

Ein 32-jähriger homosexueller Bürokaufmann – der zwar mit HIV infiziert, aber noch nicht therapiebedürftig ist – konsumiert seit zwölf Monaten etwa 2-3 Mal pro Woche Crystal Meth. Zwar steigert sich dadurch sein Konzentrationsvermögen, aber als lästigen Begleiterscheinung ruft die Droge eine starke sexuelle Stimulation hervor, die ihn täglich zur mehrfachen Selbstbefriedigung zwingt. Erst nach stufenweiser Abdosierung der Droge und der Gabe eines leichten Antidepressivums wird er von den lästigen Begleiterscheinungen erlöst.

Ein 36-jähriger Homosexueller – HIV-infiziert, aber seit Jahren mit antiretroviraler Therapie gut eingestellt – zieht aus einer Kleinstadt nach Berlin, wo er recht bald mit Crystal Meth in Kontakt kommt. Er wird schnell abhängig und konsumiert zwei Jahre lang die Droge täglich. Dies führt zu mehrfacher Unterbrechung der antiretroviralen Therapie mit den unausweichlichen Folgen: Anstieg der Viruslast und Reduzierung der CD4-Zellen. Durch den häufigen Besuch von Sex-Parties infiziert er sich in einem Jahr drei Mal mit Tripper und zwei Mal mit Syphilis, dazu kommt eine frische HCV-Infektion. Er verliert erst den Führerschein, dann die Arbeitsstelle und muss, nach Verlust seiner Wohnung, bei einem Freund unterschlüpfen. Erst diese tiefen Einschnitte bringen ihn dazu, einer stationären Entzugsbehandlung mit folgender mehrmonatiger stationärer Entwöhnungstherapie zuzustimmen.

Ein 32-jähriger homosexueller Reisebürokaufmann ist an seinem Arbeitsplatz durch chronische Unterbesetzung einem besonderen Stress ausgesetzt. Auf Sex-Parties wird ihm GHB angeboten, das bei ihm eine beruhigende Wirkung zeigt. Daher nimmt er die Droge auch während der Arbeit. Nach etwa zwölf Monaten treten die ersten optischen Halluzinationen auf: Die Tastatur seines Computers fühlt sich an, als seien die Tasten (Originalzitat) »Penisspitzen«. Weiterhin leidet er unter einer starken Irritation im Arbeitsalltag. Um davon loszukommen, unterzieht er sich einer zweiwöchigen ambulanten Abdosierung des GHB sowie der gleichzeitigen medikamentösen Behandlung der Symptome Depression, Schlaflosigkeit und Halluzinationen. Erst nach zwei Monaten ist er wieder normal arbeitsfähig.

Ein 29-jähriger homosexueller Vertriebskaufmann, dessen HIV-Infektion antiretroviral behandelt wird, nimmt in einer Discothek Ketamin in der üblichen Dosierung zu sich. Nach einer Stunde beginnt er zu phantasieren, er befinde sich »im Bauch der Mutter, deren Herz rase, weil sie furchtbare Angst habe«. Mit fortschreitender Zeit wird er immer weniger ansprechbar und uriniert in seine Hose. Sein Freund bringt ihn daraufhin sofort ins Krankenhaus. Diagnose: Eine Substanz seiner antiretroviralen Dreifach-Therapie hatte den Ketaminspiegel so stark angehoben, dass es zu einem krankhaften bzw. abnormen (»pathologischen«) Rausch-Erleben kam.

Diese Beispiele – und es sind bei Weitem nicht die einzigen! – belegen, dass Ärzte wissen müssen, wenn ihre Patienten Partydrogen konsumieren. Dies bedeutet aber auch, dass die Patienten ihrem Arzt gegenüber das entsprechende Vertrauen haben und ehrlich sein müssen. Denn nur so kann der Arzt vor Wechsel- oder Nebenwirkungen warnen bzw. die Therapie auf ungefährlichere Substanzen umstellen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Ärzte den Genuss von Partydrogen unterstützen; allerdings ist der gelegentliche Konsum dieser Rauschmittel heute ein Lifestyle-Element und wird es auch in Zukunft bleiben. Ärztliche Aufgabe ist es daher, vor den mit den Drogen verbundenen Gefahren in Bezug auf sexuell übertragbare Infektionen zu warnen, bei der Verschreibung der notwendigen Medikamente auf die Konsumgewohnheiten seiner Patienten einzugehen und nur im Falle einer gesicherten Abhängigkeit Entzug und Entwöhnungsbehandlung zu initiieren.

Der Vorstand des ak aids Berlin
Andreas Carganico   |   Dr. Jörg Gölz   |   Dr. Christoph Schuler